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Kapitalmarkt & Aktuelles

Das alte Europa liegt vorn

Risiken bleiben zunehmend unberücksichtigt

28.06.2021 3 Min Lesezeit
  • Steigende Inflation führt mittelbar zu Branchenrotation
  • Besonders zyklische und stark schwankende Titel waren zuletzt gefragt

Bei der Fußball-Europameisterschaft liegt die Vorrunde hinter uns – und an den Aktienmärkten neigt sich das erste Halbjahr dem Ende entgegen. Betrachtet man die marktbreiten Kursindizes für USA, Japan und Europa (S&P 500, Nikkei 225 und Stoxx Europe 600), hat der alte Kontinent seit über zehn Jahren im globalen Wettbewerb erstmals wieder die Nase vorn.

Entgegen den Prognosen verloren allerdings Titel aus den nachhaltigen Branchen teilweise an Boden. Im Zuge der erwarteten konjunkturellen Erholung und der derzeit steigenden Inflationszahlen führten totgesagte Klassiker aus den Segmenten Öl & Gas oder auch Banken die Hitlisten an. Während beispielsweise der S&P Oil & Gas Exploration & Production 68 % zulegte, gab der S&P Global Clean Energy 18 % nach.

Ursächlich für die weltweit steigenden Kurse ist hier wie dort der Risikoappetit, der in dem Maße zurückgekehrt ist, in dem die Belastungsfaktoren wegfielen. Dabei bewegen sich die Volatilitäten auf den – niedrigen – Vorkrisenniveaus, doch die Kurse liegen weit darüber.

Natürlich gibt es genug Dinge, über die wir uns freuen können. Die Gretchenfrage aber ist: Wie viel von diesem Umfeld hat der Markt nun eingepreist? Oder: Wovon kann ich in den kommenden Wochen noch positiv und wovon negativ überrascht werden?

Mir fallen leider kaum noch mögliche positive Überraschungen ein. Steigende Impfzahlen, steigender Konsum und steigende Gewinne gehören wie auch die Unterstützung der Notenbanken dieser Tage zum Standardrepertoire eines Analysten.

Was aber habe ich noch nicht auf dem Zettel? 

Bei den möglichen negativen Überraschungen ist meine Fantasie deutlich größer: Ist der Zinsanstieg der letzten Wochen in Verbindung mit den erhöhten Inflationswerten von Dauer? Wie werden die Märkte auf ein erstes Tapering der Notenbanken reagieren? Sind die Konsumeffekte nur einmalige Nachholeffekte? Und nicht zu vergessen: Sind die Impfstoffe den künftigen Mutationen des Virus gewachsen?

Dass man sich bzgl. der Reaktionen des Marktes auf derartige Ereignisse bzw. Erkenntnisse Gedanken machen sollte, zeigt sich an der herrschenden Sorglosigkeit der Marktteilnehmer. Diese lässt sich aus den Stimmungsindikatoren, aber auch aus den Put-Call-Ratios am Optionsmarkt ablesen.
 

Die Zinserhöhungen kommen näher

Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl neuer Marktteilnehmer vergleichsweise viel Volumen, zumindest in einzelnen Titeln, bewegt. Über gut gemachte Smartphone-Apps und günstige Handelskonditionen werden sie eingeladen, einzelne Aktien, aber auch Optionen zu erwerben. Es wird sich zeigen, wie stabil diese neue Nachfrage bleibt, wenn die Märkte abtauchen. Erinnerungen an den Neuen Markt kann ich nicht verleugnen.

In jedem Fall gehen wir davon aus, dass sich die Rallye nicht im bisherigen Ausmaß in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen wird. Stattdessen rechnen wir, je näher 2022 rückt, mit einer steigenden Rückschlagsgefahr, da dann auch die von der FED ins Auge gefassten Zinserhöhungen in greifbarere Nähe kommen. Je nach Ausmaß der Korrektur können daraus jedoch Kaufgelegenheiten entstehen.

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