Fußball ist ein entbehrungsreicher Sport
Die Europameisterschaft steht an. Nüchtern betrachtet, kann die Fußball-Leidenschaft zu einer kostspieligen Angelegenheit werden.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich gestehe es sofort: Ich bin kein Fußball-Fan. Hätte mich meine Redakteurin nicht darauf aufmerksam gemacht, dass am 11. Juni die Fußball-Europameisterschaft ansteht – ich hätte es erst am 12. Juni gemerkt, wenn ich bei meiner Zeitungslektüre über das Ergebnis des Eröffnungsspiels gestolpert wäre. Dabei ist es nicht so, dass ich nicht schon versucht hätte, einer zu werden. Ich habe auf wiederholte Einladung eines Freundes schon mehrere (Erst-)Liga-Spiele des HSV im Stadion gesehen und am 28. Juni 2012 war ich vor Ort in Warschau Zeuge des 1:2 gegen Italien im Halbfinale der seinerzeitigen Europameisterschaft. Und ja, es ist eine besondere Form der Freizeitbeschäftigung – aber es hat halt nicht zum Fan gereicht.
Demzufolge habe ich auch nur begrenzt Ahnung von Fußball. Obwohl man das vielleicht gar nicht vermuten würde, nachdem ich Anfang Januar im Rahmen meines in unserem ONVEST-Blog veröffentlichten Jahresausblicks die Prognose abgegeben hatte, der FC Bayern München würde wieder Deutscher Fußball-Meister werden. Aber dem ist nicht so. Meine Kollegen werden Ihnen das gern und sofort bestätigen. Fragen Sie mich also bitte nicht, wer dieses Mal Fußball-Europameister werden wird.
Ich bin im Übrigen auch kein Fan von anderen Sportarten. Ich sehe diese Thematik – leider – durch eine reine Kosten-Nutzen-Brille. Dazu habe ich mir nachstehend ein paar Gedanken gemacht.
Was kostet es, ein Fußball-Fan zu sein?
Erhebungen des Podcasts MillernTon zufolge kostete in der Saison 2019/2020 ein Sitzplatz der günstigsten Kategorie in der 2. Fußball-Bundesliga (in Umkreis meines Wohnorts findet seit einigen Jahren kein Erstliga-Fußball mehr statt) über alle Vereine hinweg durchschnittlich 316 Euro, also knapp 19 Euro je Partie. Addiere ich dazu noch für jedes Heimspiel, wie ich meine, günstige 10 Euro für Anfahrt, Getränke und Wurst, sind das bereits weitere 170 Euro für die Saison. Alle paar Jahre werden dann auch bestimmt ein neuer Schal oder ein neues Trikot fällig – insofern bin ich so frei, die Kosten eines regelmäßig das heimische Stadion besuchenden Fans für eine einzige Zweit-Liga-Saison auf 500 Euro aufzurunden: eine Zahl, die mich als Nicht-Fan beeindruckt.
Im Vergleich zu einer Fußball-EM erscheint es mir gleichwohl noch relativ günstig. Die billigsten Tickets beginnen bei der EM 2020 abhängig von Spielort und Turnier-Fortschritt bei 30, 50 oder auch 95 Euro. Dazu kommen dann die Kosten für Anreise, Verpflegung und Übernachtung.
1.320 Euro pro Saison
In meiner schlichten rationalen Welt bleibe ich aber bei der heimischen Variante. So schreibe ich die anfänglichen 500 Euro je Saison mit der von der Europäischen Zentralbank angestrebten Inflationsrate von 2 % fort. Denn auch Fußballvereine werden nicht umhinkommen, die ihnen entstehenden Kostensteigerungen in Form steigender Ticketpreise ihren Zuschauern weiter zu belasten. Fasse ich zudem einen heute 15-jährigen Fan ins Auge, der aufgrund der sich auch weiterhin verbessernden Lebens-, vor allem aber Gesundheitsverhältnisse in 50 Jahren so fit sein wird, wie ein heute 50-jähriger, ist ein Stadionbesuch mit dann 65 Jahren durchaus wahrscheinlich. Im Jahr 2071 wird er demzufolge fast 1.320 Euro je Saison für die Mannschaft seines Vertrauens ausgeben und in Summe dann über fünf Jahrzehnte über 42.000 Euro aufgewendet haben.
Dass dabei die Ansprüche an die Sitzplatzkategorie sich mit zunehmendem Alter bzw. steigendem Einkommen erhöhen mögen, lasse ich bei dieser Kostenbetrachtung außen vor. Genauso wie die sich realisierende Hoffnung, dass seinem Verein zwischenzeitlich doch noch der (Wieder-)Aufstieg in die erste Liga gelingt. Beides würde unzweifelhaft die jährlichen Ausgaben noch höher treiben.
Alternativen zur Fußball-Euphorie: die Kapitalanlage
Was könnte man nun mit diesen jährlichen, durch schiere Begeisterungsfähigkeit motivierten Zahlungen alternativ tun?
In meiner schlichten Welt läge eine Kapitalanlage nahe. Unterstelle ich also für die entsprechenden jährlichen Zahlungen von anfänglich 500 Euro und zum Schluss 1.320 Euro einen durchschnittlichen Wertzuwachs von 4 Prozent – ein aktienlastiges Portfolio sollte bei diesem langen Anlagehorizont erste Wahl sein –, resultiert daraus nach 50 Jahren ein Kapital von gut 100.000 Euro. Dabei habe ich sowohl Ausgabeaufschläge von 5 Prozent als auch ein anfängliches Depotentgelt von 30 Euro angesetzt, das sich ebenfalls nicht vor der Inflation drücken kann.
Halten Sie 4 % für eine zu konservative Annahme, so wird Sie sicherlich freuen, dass es bei 5 % bereits über 137.000 Euro und bei 6 % über 186.000 Euro wären. Auf dieses Kapital also verzichtet unser fußballbegeisterter Teenager. Fußball ist ein entbehrungsreicher Sport!
Sparen durch Konsumverzicht
Doch um den Weg des Sparens einschlagen zu können, ist Konsumverzicht erforderlich. Und das tut einem Fußball-Fan, das spüre ich bei meinen enthusiastischen Kollegen, sicherlich mehr weh als einem vermeintlich nüchtern kalkulierenden Homo oeconomicus.
Letzteren habe ich in der freien Natur noch nie angetroffen – und auch ich gehöre entgegen meinen vorangegangenen Überlegungen nicht zu dieser raren Spezies. Schokolade, Chips und Bücher sind nur einige meiner Schwächen – und so könnte ich sicherlich ebenfalls mehr Geld beiseitelegen als ich das bislang getan habe. Vielleicht in der nächsten Saison …
Mit den besten Wünschen für eine unterhaltsame und faire Fußball-Europameisterschaft und herzlichen Grüßen aus Hamburg,
Ihr Wolff Seitz