Liebe kennt kein Alter.
Genauso wie der Anteil von Aktien im Depot.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wenn Sie sich in diesen Tagen durch die von Ihnen abonnierten Newsletter klicken, werden Sie vermutlich in fast jedem eine Geschichte rund um den Valentinstag finden. Und genau deshalb habe ich mich dagegen entschieden, einen solchen zu schreiben. Zudem gibt es nicht nur glückliche (oder unglückliche) Paare, sondern auch glückliche (und unglückliche) Singles. Und letztere finden vermutlich kaum etwas uninteressanter als einen weiteren Artikel über den Valentinstag.
Die gesparte Zeit investiere ich heute in die Beantwortung einer Frage, die kundenseitig in unserem Service-Center häufiger aufkommt – und zwar unabhängig vom Familienstand: Sollte man im Alter von 67 Jahren noch Aktien haben?
Müssen im Alter von 67 Jahren die Aktien aus dem Depot?
An dieser Stelle möchte in der Tradition von Radio Eriwan gern mit „Im Prinzip ja …“ antworten. Denn wie so häufig im Leben kommt es auf die persönlichen Umstände an – und nicht auf das kalendarische Alter. Deshalb gibt es auch keinen Grund, mit 67 das Tennisspielen einzustellen oder sich nicht neu zu verlieben.
Hinter dieser Frage steht bei vielen unserer Anleger die nachvollziehbare Überlegung, dass sie nach Jahrzehnten des Kapitalaufbaus mit Beginn der Rente in die Phase der Kapitalnutzung eintreten werden. Das Depot soll also ein zweites Einkommen finanzieren oder für unregelmäßige Konsumausgaben, wie z. B. Reisen oder Umbauten am Eigenheim, bereitstehen.
Der richtigen Antwort kann man sich dadurch annähern, dass man hinterfragt, ob das angesparte Kapital am 67. Geburtstag vollständig und auf einen Schlag ausgegeben werden wird. Die Antwort lautet regelmäßig „nein“. Stattdessen stellt man fest, dass der Verbrauch des angesparten Kapitals meistens nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über einen unbestimmten Zeitraum erfolgen soll.
Zeitraum statt Zeitpunkt
Weil also vermutlich nur Teile des Kapitals um den 67. Geburtstag herum konsumiert werden, andere Teile aber wahrscheinlich deutlich länger angelegt bleiben werden, besteht keine Notwendigkeit, sich an einem bestimmten Stichtag aus einer einzelnen Anlageklasse sang- und klanglos zu verabschieden. Und das schon gar nicht, wenn es sich um Aktien handelt. Denn diese bieten gegenüber verzinslichen und unverzinslichen Anlagen in diesen Zeiten die Chance, der Inflation standzuhalten und Minuszinsen zu vermeiden.
Sehen beispielweise die persönlichen Erwartungen – oder vielmehr Hoffnungen – mit Blick auf die eigene Lebensspanne so aus, dass ein Teil des Kapitals auch noch in sieben, zehn oder fünfzehn Jahren vorhanden sein soll, dann kann dieser Teil auch weiterhin Aktienanlagen inkludieren.
In diesem Zusammenhang sei an eine alte Faustformel erinnert, die da heißt „Hundert minus Lebensalter gleich Aktienanteil im Depot“. Diese Formel legt uns nahe, dass man im Alter weniger Aktien sein Eigen nennen sollte als in jungen Jahren. Aber diese Regel ist, so schlüssig sie zunächst wirken mag, in der Praxis wenig hilfreich. Denn auch in jungen Jahren sollte man sein Kapital nicht immer – überwiegend – in Aktien anlegen. Das gilt z.B. für den jungen Familienvater, der die Chance vor Augen hat, eine Sondertilgung für seine Immobilienfinanzierung zu leisten – oder für die im Ausland studierende junge Frau, die die dafür jedes Semester zu überweisenden Studiengebühren nur auf einem Tagesgeldkonto parkt.
Mehrere kleine Strategien statt einer großen Faustformel
Am Ende des Tages kommt es nicht darauf an, die Frage zu beantworten, in welchem Alter das Geld benötigt wird, sondern abzuschätzen, in wieviel Jahren das der Fall sein wird. Deshalb sollten einzelne Beträge immer individuell mit Laufzeiten verknüpft werden. Besitzt ein Anleger beispielsweise 100.000 Euro, von denen vermutlich 40.000 Euro über die nächsten fünf Jahre, weitere 30.000 in fünf bis zehn Jahren und die letzten 30.000 Euro in mehr als zehn Jahren benötigt werden, kann es sinnvoll sein, drei verschiedene Anlagestrategien zu entwickeln und umzusetzen. Diese werden sich aller Voraussicht nach hinsichtlich der empfehlenswerten Aktienquoten unterscheiden.
Der dafür zu betreibende Aufwand ist höher, als würde man sich der Faustformel bedienen – aber im Ergebnis kommt man zu einer Aktienquote, die nachvollziehbar ermittelt wurde und zur persönlichen Lebenssituation passt.
Und wenn es zudem dabei hilft, das eigene Alter als Nebensächlichkeit zu begreifen und stattdessen den Blick nach vorne zu richten, ist es das Unterfangen allemal wert. Vielleicht sogar wichtiger als einen weiteren Beitrag über den Valentinstag zu lesen oder gar zu schreiben.
Mit herzlichen Grüßen aus Hamburg
Ihr Wolff Seitz