Ausschüttungen bei Investmentfonds

Wolff Seitz
3 Min. Lesezeit

Wie der Name schon sagt, werden bei ausschüttenden Investmentfonds jährlich Erträge an die Anleger ausgeschüttet. Bei thesaurierenden Fonds verbleiben die Erträge hingegen im Fondsvermögen. Sind Ausschüttungen dadurch besser?

Veröffentlicht am 09. März 2021

Frau sitzt am Tisch und gießt sich aus einer Karaffe ein Glas Wasser ein

Als ich vor 30 Jahren meine Banklehre absolvierte, tat sich eine damals sehr bekannte deutsche Fondsgesellschaft jährlich Anfang August dadurch hervor, dass sie ganzseitige Zeitungsanzeigen schaltete. In diesen informierte sie die Leser darüber, dass sie hunderte Millionen Deutsche Mark an ihre Anleger ausschütten würde.

Jedes Mal, wenn ich diese Anzeigen sah, wusste ich nicht, ob ich mich ärgern oder lachen sollte. Meine Unsicherheit ob der angemessenen emotionalen Reaktion lag darin begründet, dass ich nicht wusste, ob die Verantwortlichen für diese Anzeigenschaltung das Prinzip der Ausschüttung eines Fonds verstanden hatten.

Denn der in den damaligen Anzeigen erweckte Eindruck, die Ausschüttung eines Fonds sei eine großzügige Geste der Fondsgesellschaft, die hier – einem Füllhorn gleich – ihre Kunden aus eigener Tasche mit Geld überhäufen würde, ist falsch.

Warum Ausschüttung bei Fonds?

Ausschüttung eines Fonds wird überschätzt

Zwar ist es die Fondsgesellschaft, die – im Rahmen des für den jeweiligen Fonds im Verkaufsprospekt festgehaltenen Reglements – über die Höhe der Ausschüttung bestimmt. Aber das Geld selbst stammt aus dem einzelnen Fonds. Und insofern gehört es dem Kunden – schon vor der Ausschüttung.

Anteilseigner eines Fonds werden deshalb nicht dadurch reicher, dass ihr Fonds eine Ausschüttung vornimmt. Und sie werden auch nicht ärmer. Denn die Ausschüttung wird dem Fondsvermögen entnommen, an dem der Anteilseigner quotal beteiligt ist. Reduziert sich das Fondsvermögen um die Ausschüttung, sinkt im gleichen Moment der Wert eines Fondsanteils um eben diesen Ausschüttungsbetrag.

Fonds mit Ausschüttung – ein Zahlenbeispiel

Ist ein Fondsanteil vor der Ausschüttung noch 63 Euro wert und schüttet der Fonds 3 Euro je Anteil an seine Anteilseigner aus, sinkt der Preis des Fondsanteils umgehend auf 60 Euro.

Insofern ist die Ausschüttung eines Fonds ein geradezu klassisches Anwendungsbeispiel für die Redewendung „linke Tasche, rechte Tasche“. In ihrer Bedeutung kann man die Ausschüttung mit der Abhebung von Bargeld vom eigenen Girokonto vergleichen: Vorher sah ich mein Geld auf dem Kontoauszug und danach in meinem Portemonnaie. Mein Vermögen ist gleichgeblieben.

Warum dann überhaupt eine Ausschüttung?

Zurecht werden Sie sich fragen, warum es überhaupt Fonds mit Ausschüttung gibt, wenn der Anleger dadurch nicht reicher wird.

Ist der Anleger mit thesaurierenden Fonds – also Fonds, die keine Erträge ausschütten – nicht genauso gut dran? Denn würde er bei einem solchen Fonds zwischendurch Teile der erwirtschafteten Erträge herausziehen wollen, müsste er lediglich Bruchteile seiner Fondsanteile aus seinem Fondsdepot verkaufen.

Nun, die Antwort könnte in der Vergangenheit zu suchen sein.

Historische Betrachtung der Ausschüttung

Investmentfonds als Urkunde

Früher war es durchaus üblich, seine Fondsanteile in Form von Urkunden zuhause oder im Bankschließfach zu verwahren. Diese Urkunden nannte man Tafelpapiere.

Für Kunden, die von den Erträgen ihrer Fonds leben wollten, war die jährliche Ausschüttung der bequemste Weg, an diese Erträge heranzukommen. Anderenfalls hätten sie die eine der häufig auf 10, 100 oder gar 500 Anteile lautenden Urkunden komplett verkaufen müssen – und somit wäre ihnen deutlich mehr Geld zugeflossen, als sie eigentlich haben wollten.

Anleihen und ihre Zinsen

Und natürlich wollten die Fondsgesellschaften mit den sehr beliebten Zinspapieren konkurrieren. Diese – ob es sich nun um Pfandbriefe, Kommunalobligationen oder Bundesschatzbriefe handelte – konnten mit regelmäßig ausgeschütteten Zinsen für sich werben. Und das in einer heute unvorstellbaren Höhe von fünf, sechs und mehr Prozent.

Und so bediente die Ausschüttung eines Fonds den Wunsch vieler Anleger, einmal im Jahr etwas auf die Hand zu bekommen – auch wenn ihnen die ausgeschütteten Erträge faktisch bereits in den Monaten zuvor in Form eines steigenden Fondspreises zugewachsen waren.

Automatische Wiederanlage

Die Zeiten haben sich geändert. Tafelpapiere sind aus der Mode gekommen und hohe Zinsen gehören der Vergangenheit an. Heute ist es vielen Anlegern deshalb egal, ob ihr Fonds ausschüttet und wie viel er ausschüttet.

Das liegt sicherlich auch daran, dass viele depotführende Stellen mittlerweile die automatische Wiederanlage von Ausschüttungen umsetzen. Als Anleger bleiben Sie deshalb – unabhängig von der Höhe der Ausschüttung – weiterhin im selben Umfang an den Anlagen, die Ihr Fonds getätigt hat, beteiligt. Nur Zahl der Anteile in Ihrem Depot wächst mit jeder Ausschüttung.

Ein letztes Zahlenbeispiel: Besitzen Sie 120 Anteile à 65 Euro, erhalten Sie bei einer Ausschüttung von 5 Euro je Anteil insgesamt 600 Euro ausgeschüttet. Da die Fondsanteile nach der Ausschüttung nur noch 60 Euro wert sind, können Sie sich von der Ausschüttung weitere 10 Fondsanteile leisten. Sie besitzen jetzt 130 Anteile à 60 Euro.

Und das entspricht einem Wert von … rechnen Sie es gern aus … was zufälligerweise der ursprüngliche Gegenwert Ihrer Anlage vor der Ausschüttung war.

Zugegeben: Dieses Zahlenbeispiel in die eingangs erwähnte Zeitungsanzeige zu integrieren, hätte wahrscheinlich den Werbeeffekt arg beeinträchtigt. Heute hingegen braucht es scheinbar kaum noch Werbung für Fondsanteile – so populär sind sie geworden.

In den letzten zwanzig Jahren haben sie sich als eigenständige Anlageform etabliert, die eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen aufweist und die eigene Geldanlage ausgesprochen bequem macht. Ob nun mit oder ohne Ausschüttung.

Über den Autor

Leiter Produktmanagement Investment
Wolff Seitz

Wolff Seitz leitet das Produktmanagement Investment. Seine ersten Aktien kaufte er als Teenager 1987 inmitten des schwarzen Oktobers – leider nicht am Tiefpunkt. Um diese und ähnliche Fehler zu reduzieren, absolvierte er zunächst eine Banklehre und parallel zu seiner Tätigkeit als Anlageberater ein BWL-Studium. Sein Ziel für den Blog: Kapitalanlage entmystifizieren und bequem zugänglich machen.

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